Zwischen den Generationen

Meine Schrauberin Ulrike hat in der Ausgabe 4 der Bike & Business unter dem Titel „Damals war alles anders“ eine Rückschau gehalten. Eine Rückschau auf 30 Jahre Werkstatterfahrung als Mechanikerin für Motorräder. Dabei geht es nicht so sehr um die Technik der Moppeds, sondern viel mehr darum, wie war es damals in der Werkstatt. Als Termine noch persönlich gemacht wurden, es einen Kaffee gab, Zeit für einen Tipp zwischendurch. Als es noch keine Terminportale gab, in denen man 24/7 seinen Werkstatttermin vereinbaren konnte, als man seine Schrauberin oder Schrauber noch mal die Flosse drücken und auch als Kunde ein wenig Werkstattluft schnuppern konnte.

Es geht nicht so sehr darum, ob damals, quasi zu „analogen“ Zeiten, alles besser war als in der heutigen digitalen Zeit. Sondern vielmehr um die Frage, wo stehen wir heute? Menschen wie sie, die noch gelernt hat, an der blanken Mechanik eines Motors oder Getriebes zu schrauben. Aber auch Menschen wie ich, der quasi seit seiner Jugend von digitaler Technik umgeben und auch beruflich in der IT unterwegs ist. Man mag meinen, dass die Frage „Generation digital“ oder „Generation analog“ für mich doch klar auf der Hand liegt. IT-ler, digitaler Bildbearbeitungsmensch, etc. Klar, ich beschäftige mich gerne mit Technik, interessiere mich, was für neue Gimmicks/Gadgets/Spielzeug es so gibt. Die digitale Welt müsste für mich doch die vollkommene Glückseligkeit sein. Ist das so?

Die einfache Antwort lautet: Es kommt drauf an. Wir leben in einer Zeit, in der alles immer schneller geht, Technik immer schneller entwickelt wird und man das Gefühl bekommt, es wird etwas gemacht, weil man es (vermeintlich) kann. Wobei „Können“ und „können“ durchaus sehr weit auseinander liegen. Ich möchte das einmal am Beispiel meines Autos erläutern.

Wie der eine oder andere weiß, fahre ich einen Seat Leon, Baujahr 2021. In dieser Generation Fahrzeug (betrifft gleichermaßen wohl auch den Golf 8, vermutlich auch den Octavia aus der Generation) hatte VW die glorreiche Idee, die Devise „Touch for everything“ auszugeben. Daraus ergab sich, dass man mal auf physikalische Knöpfe wie z.B. die Klimasteuerung verzichtet hat. Unterhalb des zentralen Touchdisplays gibt es eine Touchleiste, in der man einerseits für Fahrer und Beifahrer die Temperatur einstellen, und die Lautstärke des Infotainmentsystem regeln kann. Ohja, und die Sitzheizung lässt sich darüber auch aktivieren. Das war es. Der Rest der Klimasteuerung muss über das Touchdisplay erfolgen. Zu allem Überfluss hatte man bei VW die „optimistische“ Idee, die Beleuchtung eben dieser Touchleiste einfach wegzurationalisieren. Im Dunkeln muss man wissen, wo sich die Leiste befindet.

VW wird jetzt sagen, hey, man kann das doch über das Touchdisplay einstellen und außerdem gibt es dann ja nicht die Option, per Sprachbefehl zu arbeiten. Ja, sicher, gibt es. Beides ist aber nicht gerade zügig. Zumal man bei der Hardware des Infotainmentsystems dann auch gleich gespart hat. In meinem Fahrzeug ist die nämlich ganz klar zu langsam. Beim Fahren wird dadurch die Aufmerksamkeit viel zu lange auf das Display gelenkt. Sicher, soll man nicht während der Fahrt bedienen. Die Realität ist aber doch eine andere. Früher konnte ich meine Klimaanlage doch auch blind bedienen. Ach, das war das Ding mit den physikalischen Knöpfen.

Da hat sich ein schlauer Ingenieur noch mehr Gedanken gemacht. Mein vorheriger Leon hatte links unterhalb des Lenkrades den Kombidrehschalter für Abblendlicht, Nebelscheinwerfer und Nebelschlussleuchte. Tolles Teil, konnte man blind nach greifen und je nach Bedarf drehen und ziehen, ohne eben einen Blick von der Straße zu wenden. Geht jetzt nicht mehr. Denn der vorgenannte Ingenieur hat den Schalter ersetzt. Genau, gegen eine Touchfläche – die zu allem Überfluss noch die „Knöpfe“ für das Enteisen der Windschutzscheibe beinhaltet sowie für die Heckscheibenheizung. Beides kann man natürlich auch über das große Touchdisplay finden. Aber nicht in der Sprachsteuerung. Da war man dann inkonsequent.

Mich wundert es ja, dass man den Warnblinker nicht auch „vertoucht“ hat. Wenigstens hat mein Lenkrad noch richtige Tasten. Das des Golfs übrigens nicht. Überraschung, da hat’s Touchflächen, was nicht ungeteilte Zustimmung bei den Golffahrern findet.

Ich mag mein Auto, nicht, dass das jetzt missverstanden wird. Aber hier hat jemand versucht, ein digitales Bedienkonzept durchzudrücken, was in dieser Form einfach keinen Sinn macht. Aber man kann es ja. Oder eben auch nicht. Ich hätte hier gerne zumindest eine Reihe von Knöpfen und Schaltern wieder in der Mittelkonsole. Gemeinsam mit dem Touchbildschirm, ergäbe es dann ein rundes Bedienkonzept.

Noch ein Beispiel: Wer auch meine Fotoseite ab und zu besucht, der wird gelesen haben, dass ich jüngst mal wieder analog fotografiert habe. Also so richtig mit Filmeinlegen und ohne Bildkontrolle nach dem Auslösen, Film abgeben und auf die Ergebnisse warten. Es hat mich gereizt. Es hat mir auch Spaß gemacht, weil ich gemerkt habe, dass ich anders fotografiere. Auch war es ungewohnt, die Ergebnisse zunächst in Form der Abzüge zu betrachten. Klar habe ich mir die Bilder auch auf CD brennen lassen, denn bearbeiten möchte ich sie dann schon am Rechner, keine Frage.

Ich begeistere mich für Technik. In Teilen kommt da dann auch der Spieltrieb durch. Am Ende muss es aber irgendwie sinnvoll ein- und umgesetzt sein. Blind etwas machen, weil man es machen kann, ist in meinen Augen kein sinnvoller Ansatz. Klar zum Testen, was geht und was geht nicht, muss man einfach mal schauen, was ist theoretisch machbar. Den Ansatz hätte ich z.B. auch bei VW verstanden – wenn man denn die entsprechenden Testfahrzeuge im Labor gelassen, und nicht den Kunden zum Testkaninchen gemacht hätte.

Was bleibt: Ulrike wird sich für sich das Beste aus beiden Welten heraussuchen. Mir scheint dies ein sinniger Ansatz zu sein, vor allem auch immer einen Blick über den Tellerrand zu werfen. Neugierig bleiben, was beide Welten zu bieten haben.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert