Vergänglichkeit

Wenn man ein Alter erreicht hat, von dem man sagt, man steht mitten im Leben, dann hat man die Chance, schon auf den einen oder anderen erlebten Tag zurückzublicken. Man sieht auch Dinge, die mal da waren, die heute verschwunden sind. Also man sieht sie ergo eher nicht mehr, aber Ihr wisst, was ich meine. So ist mir das z.B. mit meiner Grundschule in Glückstadt gegangen.

Eines Tages kam ich mal wieder an den Ort meiner Einschulung vorbei. Da stand sie leer. Beim nächsten Mal stand dort etwas ganz anderes. Dabei habe ich noch das Läuten im Ohr, bis heute. Es war nicht einfach eine Schulglocke, sondern es gab ein kleines Läutwerk, dass nach der Schulglocke noch läutete. An die Sporthalle kann ich mich auch noch erinnern. All das ist nun Vergangenheit, es gibt das alles nicht mehr.

Und so wird es auch einer weiteren Schule ergehen, die aktuell noch steht, aber ihre Tage sind gezählt. Darf ich vorstellen: meine Berufsschule.

Die ehemalige berufliche Schule am Schützenpark „Ludwig-Erhardt-Schule“.

Die ehemalige Ludwig-Erhardt-Schule war für drei Jahre der schulische Anlaufpunkt während meiner Ausbildung zum Datenverarbeitungskaufmann. Sie ist unübersehbar, wenn man über die Autobahn nach Kiel reinkommt, sie steht gleich links hinter der Ampel und gehört mit ihren 14 Etagen zu den höchsten Gebäuden der Stadt. Ganze 55 Meter reckt sich der 1965 erbaute Turm in den Himmel, schon zu meinen Zeiten (1991-1994) ein Gebäude, nicht ganz ohne technische Mängel. Von den drei Fahrstühlen blieb der linke gerne einfach mal hängen. Da wurde es schon manchmal nach der Pause eng, wenn man in eins der oberen Stockwerke zum Unterricht wollte. Das Gute: Der Lehrkörper hatte das gleiche Problem.

Unterricht findet dort schon lange nicht mehr statt. Das Gebäude ist mit Schadstoffen belastet, Schimmel und Nässe kommen hinzu und den Rest gegeben hat ihm wohl der Brandschutz, der inzwischen für ein so hohes Gebäude gilt. Eine Anpassung an die aktuellen Auflagen waren wohl angesichts des Gesamtzustandes zu teuer. Nachdem zunächst einzelne Etagen gesperrt wurden, kam dann auch ein Platzproblem für die Schüler dazu. Somit ist der Bau nicht mehr schulgeeignet und wurde zuletzt durch die Feuerwehr für Übungen genutzt.

Jetzt ist er umzäunt und vernagelt, der Turm, in dem ich manche Stunde verbrachte, mich manches Mal über die Benotung eines einzelnen Lehrers wunderte – und COBOL lernte. Dabei gab es da doch schon modernere Programmiersprachen. Aber gut. Randnotiz: COBOL scheint nicht totzukriegen sein, in einigen Bereichen des Finanzsektors ist das noch immer im Einsatz.

Was künftig mit dem Gelände passieren soll, ist auch schon klar. Es soll eine Gemeinschaftsschule auf dem Campus entstehen, mit Sporthalle und allem drum und dran. 900 Schüler sollen künftig dort Platz finden. Dafür muss der Turm aber erst einmal weg. Und, wenn man den letzten Infos glauben darf, wird der Abgang spektakulär. Denn „meine“ Schule wird sich mit einem Knall verabschieden. Geplant ist eine Sprengung, wahrscheinlich noch in diesem Jahr. Wir werden sehen. Vor allem: in absehbarer Zeit werden wir ihn dann nicht mehr sehen, den Turm, der Bestandteil meines Lebensweges war.

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