Nein, klar war es nicht wohin wir letztlich fahren würden. Wir, das waren Hartmut, Bernhard, Alex und ich. Als wir uns am 6. Juni bei Hartmut mit unseren reisefertigen Moppeds trafen wussten wir nur, wir wollen ein paar Tage Motorrad fahren. Unklar war aber die Richtung in die es gehen sollte.
Petrus war sich wieder mal nicht so ganz einig was er nun wollte. Nach dem Studium des Wetterberichtes für die kommenden Tage entschieden wir uns für Tschechien. Denn dort war das Risiko nass zu werden noch am geringsten und so starteten wir tags darauf mit Kurs Nordost. Zu dem Zeitpunkt hatte ich schon zwei Tage Anreise ins Allgäu hinter mir. Vielleicht werde ich langsam alt, aber mit meiner Dicken über die Autobahn fahren macht mir einfach keinen Spaß mehr und ruiniert unnötig die Reifen. Und wenn ich nicht muss dann kalkuliere ich lieber zwei Tage Anreise über Land ein. Schont Nerven und man bekommt was von dem Land zu sehen in dem man lebt.
Tschechien – so weit östlich war ich noch nie. Ein kleines Abenteuer irgendwie. So richtig Gedanken gemacht was mich dort erwarten würde hatte ich mir nicht gemacht. Zum einen war die Zeit vor meinem Urlaub sehr stressig, zum anderen wollte ich mich überraschen lassen und die Eindrücke so mit nach Hause nehmen, wie ich sie erlebt habe. Und Eindrücke gab es viele.
Schon die Anreise gestaltete sich etwas komplizierter als gedacht – was aber nicht an den Tschechen lag, sondern vielmehr an der Hochwassersituation die uns zwang die Route zu ändern. Und wir sollten in den nächsten Tagen noch vor so manchem Sperrschild stehen und umplanen müssen. Aber nach dem Passieren der Grenze machte sich sofort etwas bemerkbar: die Straße. Und sie war nur ein Vorgeschmack dessen, was wir auch an diesem Tag noch „erfahren“ würden. Schlaglöcher sind da mehr oder weniger normal. Und ich meine Löcher, nicht die süßen Dinger über die wir uns hier im Lande schon aufregen. In den kommenden Tagen würde ich leider so manches Loch treffen. Jedes Mal ein Schlag durchs ganze Fahrzeug und die bange Hoffnung, Reifen und Felgen mögen unbeschadet bleiben. Die Beläge der kleineren Straßen erinnern teilweise mehr an moderne Kunst als an den für ihn vorgesehenen Zweck. Und wenn dann auch noch Sand oder Splitt ohne Vorwarnung in den Kurven auftaucht, dann schnellt der Adrenalinpegel schon gerne mal in die Höhe. Und nein, wir sind nicht übermäßig schnell gewesen. Zum „in die Landschaft gucken“ blieb da leider nur wenig Zeit.
Entschädigt wurden wir beim Aufsuchen unserer ersten Übernachtungsmöglichkeit. Gerade als Petrus mit Regen drohte, standen wir an einer Einfahrt zu einer Pension. Kurz entschlossen beendeten wir den Fahrtag nach knapp 400 Kilometern und kehrten ein und bezogen unsere Zimmer. Wobei „Zimmer“ es so gar nicht traf. Das waren richtige kleine Ferienwohnungen! Richtig toll für kleines Geld. Genauso das Abendessen, Getränke und das Frühstück am nächsten Morgen. Ein Bier kostete knapp einen Euro und das sollte auch für den Rest der Woche so bleiben.
Ok, mit vielleicht einer Ausnahme, weil wir noch einen Schwenk nach Hohnstein machten und auf der Burg übernachteten. Kultig. Übernachten im Mehrbettzimmer. Wie früher auf Klassenfahrt. Und was sehr klasse ist: an der Einfahrt steht ein Sperrschild mit der Ergänzung „Motorräder frei“. So muss das. ;-D
Aber zurück nach Tschechien. Euro ist ein gutes Stichwort. In Grenznähe und Touristenregionen ist es an sich kein Problem in Euro zu bezahlen. Im Landesinneren dagegen kann es einem passieren, dass weder Euros noch Karten genommen werden. Das haben wir auf unseren Rundtouren mehrfach erlebt und entsprechend Geld getauscht. Auch spricht man vor Ort nicht immer englisch, mit Händen und Füßen kommt man aber auch zum Ziel 🙂 Nett und hilfsbereit sind die Tschechen aber. Und nach dem Eingewöhnen auf die Straßen schweift der Blick auch in die Landschaft. Und die ist einfach wunderschön und sehenswert. Und lässt der Phantasie viel Spielraum für Abenteuergeschichten. 🙂 Unsere Basisstation für unseren Aufenthalt war übrigens das Alpsky-Hotel in Spindlers Mühle. Würden wir auch definitiv wieder buchen. Riesengebirge, Adlergebirge, Ausflug nach Zittau, Sächsische Schweiz und das Erzgebirge wurden von uns „betourt“.
Tschechien ist ein Land der Gegensätze. Hier alte Fabrikanlagen, dort hochmodernes Automobilwerk. Hier Häuser die nach unseren Standards an sich unbewohnbar scheine und ein paar Meter weiter stehen schmucke Einfamilienhäuser. Sicher, auch bei uns sieht man alt und neu, aber selten so gehäuft dicht beieinander. Viel Leerstand haben wir gesehen, Gebäude die in der Vergangenheit ihren Nutzen hatten, der sich mal leicht, mal nur schwer erkennen ließ. Manches mal hätte ich gerne angehalten um mir das genauer anzusehen. Aber das hätte unseren Zeitplan völlig durcheinander gebracht. Aber vielleicht nächstes Mal. Wen wundert es übrigens, das für die Tschechen Skoda das ist, was für uns VW ist. Wo wir gerade beim Automobilwerk waren. Normalerweise machen wir um Städte und größere Ortschaften immer einen Bogen, suchen für die Mittagspausen kleine Gasthöfe an der Strecke auf. Aber wir hätten etwas verpasst. Die Innenstädte werden mit viel Aufwand renoviert und saniert und verzaubern den Betrachter mit reich verzierten Fasaden.
Petrus hatte dann auch noch eine Überraschung für uns. Auf dem Rückweg von einer Tour öffnete er sehr großzügig die Schleusen. Abgesehen davon, dass die Straßenbeläge teilweise richtig glatt wurden standen wir plötzlich vor einer überspülten Strasse die durch eine Senke führte. Anhand eines entgegenkommenden Autos konnten wir in etwa abschätzen, dass das so 20-30 cm Wassertiefe waren. Für uns also klar fahrbar. Und dennoch war es ein mulmiges Gefühl als das Wasser über die Stiefel schwappte und sich die Dicke ihren Weg wie ein Ozeandampfer durch das Wasser bahnte. Leider gibt es davon keine Bilder. Denn es regnete immer noch. Wir waren nass. Wir wollten ins Hotel.
Das war aber das einzige Mal das wir nass wurden. Die anderen Tage waren trocken und auch angenehm temperiert. Fand ich jedenfalls. Meine Meinung wurde aber nicht immer durchgehend geteilt 😉
Zurück ging es dann über Österreich mit Zwischenübernachtung im Gasthof „Einfalt“. Urig und witzig, der Wirt fährt selbst Motorrad. Kein Wunder das wir uns einmal mehr Willkommen fühlten. Und tags darauf war dann dieser Teil des Urlaubs schon zu Ende. Das Allgäu hatte uns wieder . Bevor ich dann langsam wieder auf meine Heimatetappen ging, wurde die Dicke noch mal etwas grundgereinigt. Die sah nämlich aus wie eine Enduro. Und eine Runde Kühtai wurde noch gedreht. Inklusive Austesten der Theorie des Kammschen Kreises. 😉
Dann hiess es aber wirklich wieder Kurs Heimat. Und wie in den letzten Jahren schon nutze ich die Heimfahrt gerne, um Freunde zu besuchen. So musste unter anderem auch die Familie Langer dran glauben und es gab auch noch ein paar Frankfurt-Fotos. In der Woche drehte Petrus übrigens am Heizungsregler. Es wurde heiß. Sehr heiß. Und in einer Motorradkombi erst recht. Aber fahren ohne gibt es bei mir nicht. Eher lasse ich das Mopped stehen. Um so mehr habe ich mich auf die Dusche hinterher gefreut – und die war auch dringend notwendig. Und dennoch war die Rückreise schön. Liebe Menschen getroffen und über alte und aktuelle Zeiten gequatscht.
Als ich den Schlüssel hier zu Hause dann ein letztes Mal in die „Off“-Position drehte, standen 5.354 Kilometer mehr auf der Uhr meiner Dicken. Die 90.000 Kilometer hatten wir vor etwas über 2.000 Kilometern auch überschritten, wir steuern auf die 100.000 zu. Als ich die Dicke 2001 kaufte und mit 0 Kilometern übernahm habe ich mir da noch gar keine Gedanken drüber gemacht. Und jetzt? Wir haben viel erlebt auf diesen Kilometern. Das darüber sinnieren hebe ich mir aber tatsächlich für den 100.000 Kilometereintrag auf. Und der kommt. Nächstes Jahr.
Wenn es nach mir geht, wüsste ich schon die nächsten zwei Projekte ;-)