Erinnerungen und ein Traum

Ich kann nicht schlafen, viele Gedanken sausten durch meinen Schädel, und darunter auch einige Erinnerungen aus meiner Kindheit, an die ich sehr schöne Erinnerungen habe. Auch, weil ich einen der tollsten Spielplätze der Welt hatte: einen Verlag!

Ja, ich darf sagen ich bin ein Verlagskind. Bis zum Alter von 8 Jahren wohnten wir in der Firmenwohnung des großmütterlichen Unternehmens, das es so heute leider nicht mehr gibt. 🙁 Es war ein All-in-One-Unternehmen, wie man wohl heute sagen würde. Man konnte mit einem Manuskript zu uns kommen und hinten kam ein fertiges Druckerzeugnis heraus, das auch gleich verlegt werden konnte. Das Manuskript wurde Korrektur gelesen, anschließend gesetzt. Ja, wir befinden uns noch in der Zeit des Bleisatzes. Bei Bedarf konnten wir auch in der eigenen Gießerei Buchstaben und Zeichen jedweder Form herstellen. Dann wurde das per Druckmaschine zu Papier gebracht und in der Buchbinderei gefalzt, zusammengestellt und gebunden. Und der Verlag tat dann sein übriges.

Und als Enkel der Eigentümerin hatte ich quasi Narrenfreiheit, durfte toben, „helfen“, spielen, einfach alles. Klar haben die geplagten Mitarbeiter nebenher auf mich aufgepasst. Denn natürlich war dieser Spielplatz nicht ganz ungefährlich. Das wurde mir auch wieder und wieder eingeschärft, und vor den Maschinen die da standen hatte ich auch teilweise einen mörderischen Respekt. Erstens mal waren die viel größer als ich und gerade in der Druckerei auch viel lauter. 😉 Insbesondere zwei Maschinen im Hause gab es, die sich meines besonderen „Misstrauens“ erfreuten.

Zum einen war das die ganz große Druckmaschine, klar, eine Heidelberg. Die war nämlich so konstruiert, das der Träger für den Bleisatz quasi immer aus der Maschine herausschoss und dann wieder darin verschwand. Für einen kleinen Jungen der ich damals war war das auf Grund der Geschwindigkeit sehr unheimlich und wenn das Ding in Betrieb war machte ich immer einen sehr großen Bogen um das gute Stück. Nur im Stillstand traute ich mich dichter heran. 🙂

Die zweite Maschine, an die ich mich auch nie wirklich herangetraut hatte, war ein Papierschneider. Aber nicht so ein lächerliches Ding wie man das aus dem Büro kennt, sondern so ein Teil das mehrere Zentimeter wie Butter schneidet. Es war schon Angst einflößend, wenn die riesige Klinge per Pedal ausgelöst wurde und das Papier mit einen lauten „Klonk“ einfach so schnitt, als wenn nichts wäre.

Das waren noch Zeiten. Vor allem konnte man den Maschinen noch bei der Arbeit zuschauen. Die waren längst nicht so verbaut wie heute, wo sie den strengen Richtlinien der Sicherheit am Arbeitsplatz folgen müssen. Viele Bilder und Eindrücke habe ich noch vor mir, als sei es erst gestern gewesen. Meine Großmutter in ihrem Büro, wo heute übrigens immer noch die gleiche Schreibtischlampe vom jetzigen Eigentümer benutzt wird. 🙂 Aber auch Menschen von damals, Mitarbeiter die sich mir einfach eingeprägt haben. Unser Buchhalter, der mich mit seiner Glatze völlig irritiert hatte. Oder eine unserer Buchbinderinnen, bei der ich manches Mal auch zu Hause war und die Fische im Gartenteich gefüttert habe. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.

Leider ist davon heute nicht mehr viel übrig. Mit dem Fotosatz ist die Luft für spezialisierte Verlage sehr dünn geworden. Wer weiß, vielleicht wäre ich sonst heute im Verlagswesen tätig. Letztes Jahr hatte ich Gelegenheit, noch einmal diese Stätte meines Umtriebes zu besuchen, daher weiß ich auch das mit der Schreibtischlampe. Es war ein sehr seltsames Gefühl, wieder dort zu sein. Ein Gemisch aus Neugier, Schock und Trauer. Beim Durchschreiten der verwaisten Räume, die sich noch so da lagen, wie ich sie in Erinnerung hatte. Als wenn gleich wieder die Leute an die Arbeit gehen würden. Aber eine dicke Staubschicht war eindeutiges Indiz, dort hatte seit Jahren niemand mehr gearbeitet. Gleiches Bild in der Setzerei, wo noch immer die Rondels für den Bleisatz standen (und wohl noch immer stehen). Immer noch fein säuberlich sortiert, man könnte sofort wieder loslegen. Wenn es denn noch jemand beherrscht. Aktivität allerdings in der Buchbinderei, der Maschinenpark dort war modernisiert und aktiv. Aber auch in der Druckerei war noch Arbeit zu sehen, wenn auch die meisten Maschinen von damals verschwunden sind.

Die Zeichen der Zeit sind an dem Unternehmen eben nicht spurlos vorüber gegangen. Als ich ging und noch einmal einen Blick auf das Gebäude warf, war ich schon ziemlich traurig. Und hatte auf der anderen Seite den Wunsch, dort wieder richtig Leben einkehren zu lassen. Eine Idee hätte ich. Nur leider das nötige Kleingeld nicht. Ein Medienhaus. Das würde auch der Tradition des Hauses gut zu Gesicht stehen. Leider wird das ein Traum bleiben

9 Kommentare

  1. Warum bleibt das ein Traum? Vielleicht hat die dazugehörige Stadt oder Gemeinde ja Lust (und Geld), ein Medienhaus mit Druckmuseum zu besitzen? In dem Druckmuseum (Erlebnispark Verlagshandwerk) könnte man dann auch Sonderaktionen für Schulklassen usw. machen, Azubis aus dem Druckhandwerk – so es solche in der Nähe gibt – an altem Handwerk schulen, teure High-End-Sonderdrucke anbieten…

    Warum steht das Gebäude leer? Gehört es noch der Familie (und wo, wenn ich so fragen darf?).

  2. Du hast das tatsächlich bis zum Ende gelesen? 🙂

    Also leer steht das Gebäude nicht, vielleicht habe ich das unglücklich ausgedrückt. In einem Teil läuft noch eine kleine Produktion, mit der sich die Druckerei über Wasser hält. Leider gehört es uns nicht mehr. Wobei „leider“ ist so eine Sache. Nach meiner laienhaften Einschätzung müsste man da erstmal einiges an Geld reinstecken, um da überhaupt vernünftig Gewerberaum anbieten zu können. Das Gebäude stammt aus den vorletzten Jahrhundert und die Zeit hat halt ihre Spuren hinterlassen. Die Idee mit der Gemeinde ist sicher nicht schlecht, aber ob die wirklich Geld hätten? Und zum anderen müßte auch der Eigentümer mitspielen. Standort wäre Glückstadt. Was mich einfach an der Idee fasziniert ist das zusammenbringen von Alt und Neu. Also alte Schale (Gebäude) mit modernem Betrieb, moderner Branche im Inneren. Es ist einfach etwas besonderes, wenn Alt und Neu scheinbar aufeinander treffen und sich zu einer Einheit verbinden lassen.

  3. Wenn das Gebäude so alt ist, ist es doch sicher schon ein Industriedenkmal. Und Du hast recht mit dem Alt und Neu, das kann sich sehr reizvoll reiben.

    PS: Warum sollte ich nicht bis zum Ende lesen…? 😀

  4. Naja, weil der Text so lang geraten ist 😀

  5. Besser spät als nie – ich glaube ich würde wirklich dafür mal ein Konzept schreiben.
    Was wäre nötig, damit Du bekommst was Du brauchst und wie liesse sich das anschliessend gewinnbringend vermarkten?

    Wer weiss, vielleicht warten die derzeitigen Eigentümer nur auf so einen Retter.

    Mehr als Zeit kostet es nicht und die hast Du derzeit ja wohl im Überfluss. Träume sind letztendlich dazu da erfüllt zu werden (okay vielleicht nicht alle 😉 ).
    Ich würd das versuchen, auch wenn hinterher das Konzept in der Kiste verschwindet und keiner es je zu sehen bekommt. Man weiss nie was passiert 😈

  6. Dann werde ich mir mal Gedanken dazu machen.

  7. Noch nichts und. Dauert noch ein bisschen, weil ich in der letzten Zeit noch einiges um die Ohren hatte. Aber vergessen werde ich das nicht, ich habe das extra in meiner GTD-Software hinterlegt. Genauer gesagt sogar in beiden, da ich derzeit zwischen zwei Versionen schwanke.

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